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Überbeschneit und unterbelichtet

Liebes Volk,

Was für ein Moment! Die 150. Wellenbrecher-Ausgabe! Ein Grund zu feiern! Vor allem in diesen schwierigen Zeiten, nicht wahr? In diesen dunklen Zeiten, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn Stromsparen ist angesagt! Wochenlang mahnte man uns von allen Plakatwänden herab: „Energie ist knapp. Verschwenden wir sie nicht.“ Ein Slogan, der sich auch im Alltag vortrefflich einsetzen lässt. Egal ob das Kind spielen, die Lehrerin mehr Einsatz im Unterricht, der Partner Hilfe beim Geschirrspülen oder die Steuerberaterin die Dokumente pünktlich haben will, die neue Universalantwort ist: „Würde ich ja gern. Aber Energie ist knapp. Verschwenden wir sie nicht.“ Energieeffizient absagen. Quiet Quitting, aber aufs ganze Leben gemeint. Wenn ich auf Whatsapp nicht antworte, ghoste ich Dich nicht. Ich spare Strom.

Aber was sagt eigentlich der Bundesrat? Nun, der hat einen Massnahmenplan mit vier Eskalationsstufen veröffentlicht, der bemerkenswert ist. Man könnte vielleicht sogar sagen, um im elektrischen Jargon zu bleiben: Unterbelichtet. Folgende Passagen basieren auf wahren Begebenheiten (kursiv gedruckt):

Erste Eskalationsstufe: Sitzheizungen werden verboten!
Irgendwo muss man ja anfangen, nicht wahr, oder in diesem Fall am Ende. An unser aller Ende. Das heisst: Für ein warmes „Füdli“ im Auto ist wieder jede*r selber zuständig, durch Eigenwärme. Oder anders gesagt: Das ist eine Furzidee, hehe (tschuldigung). Elektrische Laubbläser werden auch verboten! Das heisst, es sind nur noch Laubbläser erlaubt, die mit Windenergie angetrieben werden. Ich würde noch einen Schritt weitergehen. Ich als ehemaliger Trompeter würde nach den LAUB-Bläsern gleich auch noch die HOLZ-Bläser verbieten. Einerseits schade für die Klarinetten, Saxofone, Querflöten, etc. in der Melodia Goldach, aber andererseits besser für uns alle. Denn die nächste Adventszeit kommt schon bald, das hiesse: Keine Blöckflötenkonzerte an der Weihnachtsmesse! Weitere Massnahmen: Kleider dürfen nur noch maximal 40 Grad gewaschen werden. Das heisst, 60-Grad-Wäsche muss man eineinhalbmal waschen. Ich setze noch einen drauf. Ich wasche nicht einmal in der Woche 40 Grad, sondern einmal im Monat alles 160 Grad.

Zweite Eskalationsstufe: Wäschetrockner und Bügeleisen werden verboten!
Ausser, Achtung Lifehack: Man trocknet die Wäsche direkt mit dem Bügeleisen.

Dritte Eskalationsstufe: Netflix wird abgestellt!
Das heisst: Kein „Netflix & Chill“ mehr. Für alle über 50, die das nicht kennen: „Netflix & Chill“ ist ein Code für Sex. Man schaut irgendeinen Mist-Film und fängt an rumzumachen, weil der Film eben gar nicht so spannend ist. Das heisst, halb so wild: Wer sich in Zukunft für Sex so richtig langweilen will, kann weiterhin SRF schauen. Das wird dann auch der neue Anmachspruch. Nach dem Essen oder Club-Besuch, wenn man am Schluss des Abends vor der Haustüre sagt: „Hey… chunsch no ufä zu mir, zum… Happy Day luägä…?“ Happy End mit Happy Day, sozusagen.

Ausserdem darf man daheim (mit Elektroheizungen oder Wärmepumpen) nur noch auf 18 Grad heizen und Elektroautos nur noch für zwingend notwendige Fahrten benutzen.
Zusammengefasst: Wenn wir alle zusammen ungeduscht und stinkend, mit zerknitterten Hemden, in schlecht gewaschener, feuchter Unterwäsche, furzend in unserem Tesla sitzen, können wir Putin besiegen! Sozusagen als individuelle Bio-Waffen.

Und erst als vierte und letzte Eskalationsstufe schlägt der Bundesrat ein Verbot von Schneesportanlagen und Schneekanonen vor.
Klare Prioriäten. Die Energiepolitik liegt nicht im Zuständigkeitsbereich der Kantone, sondern der Kanone. Macht Sinn. Denn wenn wir Schweizer*innen schon ungewaschen und feucht vor uns her stinken, dann doch dort, wo wir es uns gewohnt sind. Luftdicht abgeschlossen in unserem natürlichen Habitat, im Skilift-Gondeli.

Und es hat ja auch was Rührendes, wie die jetzt alle im Grünen auf diesen eingezäunten Kunstschneestreifen runterrutschen. Geordnet und pflichtbewusst wird der 7-Tages-Pass abgearbeitet für Gott und Vaterland und Tourismus Schweiz. Wenigstens ein Strom, der hierzulande offensichtlich nie versiegt.

Und denken Sie immer daran: Wenn jemand mit Strom-Unterbruch klarkommt, dann, wie es der Name schon sagt, der Wellenbrecher. Denn sogar, wenn wegen Mangellage schlussendlich auch Netflix zum Erliegen kommt, haben Sie, liebes Volk, ja immer noch 150 Ausgaben Wellenbrecher, die Sie bei Kerzenschein, ganz analog und oldschool durch-bingen können, wie es die U-50er sagen. Oder wie ich es sage, so am Ende dieser Kolumne: „Hey… möchten Sie noch mit mir hochkommen und meine… Wellenbrecher-Sammlung anschauen…?“

Hot, hot, hot, sage ich da nur, verbleibe mit mindestens 18-Grad-warmen Grüssen und wünsche allen ein schönes, gemeinsames „Wellenbrecher & Chill“.

Ihr Kaiser

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