Esse gerne Fleisch
Liebes Volk,
Wir essen zu viel Fleisch. Ich weiss, ich weiss, mindestens die Hälfte von Ihnen habe ich hier schon verloren (statistisch gesehen wohl noch mehr, siehe unten) und ich erzähle Ihnen auch nichts Neues. Die Fleischproduktion ist einer der drei Top-Gründe für Umweltverschmutzung und Klima-Erwärmung.
Gut, dann ist das Problem ja bald gelöst! Könnte man meinen. Diese Veganer*innen sind ja schliesslich überall! Viele sagen ja: „Weisst Du, woran man einen Veganer erkennt? Er sagt es Dir HAHAHA!“ Ja stimmt, und wissen Sie, woran man einen Fleischesser erkennt? Er erzählt Dir genau diesen Witz. Ungefragt, immer wieder.
Aber woran erkennt man eine Fleischesserin wirklich? An der statistischen Wahrscheinlichkeit. Denn die ist alles andere als vom Aussterben bedroht. Nur 2,6 Prozent der Schweizer Bevölkerung ernährt sich vegan. Und 5,8 Prozent vegetarisch. Und die meisten von denen wollen nicht mal primär die Welt retten. Laut einer Statistik von 2017 lautet der wichtigste Grund für ihren Fleischverzicht: Das Tierwohl. Bei denen, die Fleisch essen, ist der Grund ein bisschen simpler. 75 Prozent geben als Grund an: „Esse gerne Fleisch.“ Ja gut. Das ist natürlich auch ein Argument. Das muss aber nicht heissen, dass diesen 75 Prozent das Tierwohl gar nicht wichtig ist. Es ist ihnen einfach weniger wichtig als ihr Schinken-Streich-Schmelz-Käsli.
Was ja an sich schon absurd ist. Schinken-Streich-Schmelz-Käsli. Geht’s eigentlich noch? Zuerst nimmst du einer Kuh das Kalb weg, machst Käse aus deren Muttermilch und weil dir das noch nicht reicht, pürierst du noch kurz eine Sau rein wie so ein Psychopath? Und wissen Sie, warum es so umständlich Schinken-Streich-Schmelz-Käsli heisst? Ja weil der Name Fleischkäse bereits besetzt ist und etwas komplett anderes bedeutet!
Wir haben völlig den Bezug zu Fleisch verloren. Weil wir immer noch meinen, unsere Kühe stehen auf der Weide und sind glücklich. So wie auf der Packung halt. Vielleicht sollte man da ansetzen. Man muss ja nicht direkt wie bei Zigi-Päckli einen Warnhinweis draufpacken mit dem Schriftzug: „Essen tötet“. Nein, wir lassen die herzigen Kühe und Kälbli weiterhin so auf dem Bild – aber schreiben ihre Namen dazu. So wie damals bei der Aktion von Coca Cola, als sie Stefan, Nicole oder Sandro auf die Etikette geschrieben haben (für alle, die schon immer mal ihrer besten Freundin eine personalisierte Pet-Flasche schenken wollten). Genau so, aber einfach mit dem Namen der geschlachteten Kuh. Und kleingedruckt, als zusätzliche Verbraucherinformation: „Lieber Kunde, sehen Sie das Kalb auf der Wiese? Mega herzig. Das ist Emma. Sie ist jetzt tot. Sie ist für Sie gestorben. Wir haben Ihr gesagt: „Hör zu, Emma, Du hast ein gutes Leben gehabt, aber ja, die Hungerbühlers haben die Bütikofers zum Znacht eingeladen und es gibt Cordon-Bleu, tut mir leid.“
Und keine Angst, liebe Fleischesser*innen, die Vegetarier*innen kommen auch dran! Ja-ha! All jene, die meinen, Kuhmilch trinken sei doch kein Problem! Mit jedem Liter Milch, den sie kaufen, bekommen sie eine obligatorische Kälbli-Patenschaft. Sie adoptieren nämlich genau das Kälbli, das man für die Milchproduktion von der Mutter getrennt hat, und bekommen dann einmal pro Woche ein personalisiertes WhatsApp mit dem Bild vom Kälbli mit der Überschrift: „Warum, Melanie? Warum!?“
Ja, ich weiss, das klingt extrem. Die Frage ist aber immer: Extrem im Verhältnis wozu? Natürlich können wir weiterhin hunderttausende Viecher abschlachten, damit wir rund um die Uhr ein Sandwich kaufen können, in dem Schinken, Salami und Poulet gleichzeitig drin ist (sozusagen die Bremer Stadtmusikanten, aber einfach als Zvieri). Klar, schliesslich: „Esse gerne Fleisch“! Warum nicht? Komm, wir halten uns an die Mehrheit, produzieren und essen Fleisch bis zum bitteren Ende, reiten auf einer Antibiotika-Mastsau in den Sonnen- und Weltuntergang. Die Klima-Erwärmung hat auch ihre (zwinker, zwinker) Sonnenseiten! Je mehr der Meerespiegel steigt, desto näher sind wir den Alpen! Bergwanderferien am Strand! Mit der Rutschbahn vom Matterhorn ins Mittelmeer! Und das Aargau wird zum Atlantis der Schweiz – mit einem Unterwasser-Erlebnispark in Olten. Und ja ich weiss, Olten gehört nicht zum Aargau. Aber das Aargau gibt es dann eh nicht mehr – hätten wir dieses Missverständnis also auch endlich gelöst.
Darum: Ernähren Sie sich vegan und und bewahren Sie den Aargau vor der Überschwemmung! Ist ja auch ein schöner Slogan: „Werde Veganer – rette den Aargau!“ Und wenn Sie jetzt denken, das sei ein lächerlicher Grund, denken Sie daran: Die Mehrheit der Fleischesser*innen essen Fleisch, weil sie gerne Fleisch essen.
Und ich weiss, vielleicht geht Ihnen das alles zu weit. Aber: Wenn wir so weiter machen und alles bachab geht, dann gibt es irgendwann keine Welt mehr. Oder noch schlimmer: Keine Schweiz! Und wenn Sie jetzt finden: „So ein Chabis, auf den Renato Kaiser höre ich sicher nicht, das ist ein freier Markt und schlussendlich hat immer noch der Kunde Recht!“ Dann vergessen Sie nicht: Ja, der Kunde ist König. Aber der Renato ist Kaiser.
Es grüsst Sie
Ihr Kaiser
Eine Antwort
Sehr gelungen. Dankeschön.