Die Pandemie wirft Fragen auf – auch im Zusammenhang mit den Themen «Alter» und «Betreuung». Dazu kommt die demographische Entwicklung: Die Anzahl der über 65-Jährigen gemessen an der Gesamtbevölkerung wird schweizweit immer grösser. Für die Region Rorschach erarbeitet eine Projektgruppe im Rahmen der Altersstrategie 2035 Lösungen.
Was haben wir? Was brauchen wir? Wie kommen wir dahin? Das sind – grob zusammengefasst – die Leitfragen für die Erarbeitung der Altersstrategie. Damit befasst sich in einem ersten Schritt eine Steuergruppe. Sie besteht aus Vertreterinnen und Vertretern der Stadt Rorschach (Ariane Thür Wenger) und der Gemeinden Rorschacherberg (Charlene Lanter), Goldach (Kathrin Metzler), Tübach (Birgit Koster Schöb) und Untereggen (Nadja Hochreutener). Die Leitung hat der Rorschacherberger Gemeindepräsident, Beat Hirs. Zwei Fachleute von der Ostschweizer Fachhochschule OST begleiten das Projekt: Stefan Tittmann (OGZ Zentrum für Gemeinden) und Martin Müller (Institut für Soziale Arbeit und Räume).
Begriffe definieren
Eine erste Auslegeordnung ist gemacht. Unter dem Titel «Was haben wir heute?» sind in der Projektskizze die Wohnmöglichkeiten aufgelistet: Stationäre Betten (Alters- und Pflegeheime), Angebote zu Hause (Spitex, private Spitex, Pro Senectute) und Alterssiedlungen ohne Service. Auch das Stichwort «Betreutes Wohnen» ist aufgeführt. Mit der Klammerbemerkung: Fehlt. Übersetzt heisst das: Es gibt im Wesentlichen Altersheime und Pflegeheime. Wer zu Hause (oder in einer Alterswohnung) wohnt, kann Angebote der Spitex oder der Pro Senectute in Anspruch nehmen. Der Rest ist weitgehend Brachland.
Selbständig bleiben
In der Diskussion um das Wohnen im Alter fällt auf, dass die Begriffsgrundlagen unklar sind. Curaviva, der nationale Branchenverband der Dienstleister von Menschen im Alter, hat einen Raster dazu erarbeitet. Dieser unterscheidet im Wesentlichen drei Kategorien: Individuelle, private gemeinschaftliche und institutionelle Wohnformen.
Zu den individuellen Wohnformen zählen das Wohnen zu Hause (allenfalls mit externen Serviceleistungen), Alterswohnung/Alterssiedlung und Wohnen mit Service. Privat gemeinschaftliche Wohnformen sind die Alterswohngemeinschaft, die Altershausgemeinschaft und das Wohnen im Mehrgenerationenhaus. Altersheim, Altersresidenz, Pflegeheim/Pflegezentrum, Pflegewohngruppe und Alterszentrum sind als institutionelle Wohnformen aufgeführt. Die terminologische Klärung macht deutlich, dass selbständiges Wohnen in der gewohnten Umgebung für ältere Menschen auf der Wunschliste ganz oben steht – in Kombination mit einem guten Angebot an Diensten in den Bereichen Haushalt, Pflege und soziale Betreuung.
«Die meisten Alten ziehen den Wechsel in eine institutionalisierte Wohnform erst in Betracht, wenn gesundheitliche Einschränkungen (…) zu erhöhter Pflegebedürftigkeit führen», schreibt Curaviva. In der Statistik des Altersheims Promenade in Rorschach zeigt sich: Zwei Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner sind in den Pflegestufen 1 – 3 eingeteilt. Sie müssten nicht im Heim wohnen, gäbe es die entsprechenden Dienstleistungsangebote. Betreutes Wohnen, das auch als «Wohnen mit Services» bezeichnet wird, könnte eine Alternative sein. Die Finanzierung ist hier aber noch ungeklärt. SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen hat vor gut einem Jahr eine Motion überwiesen. Sie will, dass das betreute Wohnen bei Bedarf über die Ergänzungsleistungen finanziert wird. Ein entsprechender Gesetzesentwurf soll demnächst in Vernehmlassung gehen. Mit ihrer Motion will Flavia Wasserfallen Heimeintritte zumindest hinauszögern.
Bis Ende 2023 abgeschlossen
In der Projektskizze für die Altersstrategie 2035 stellen die Verfasser für die Region Rorschach im Moment eine Überversorgung bei den Alters- und Pflegeheimbetten fest. Die Auslastung des Regionalen Pflegheims PeLago ist tief. Das Pflegeheim Helios in Goldach wird in ein paar Jahren dem Autobahnzubringer weichen müssen. Und das Rorschacher Altersheim Promenade hat in den nächsten zehn Jahren grossen Renovationsbedarf. Mit einer regionalen Strategie sollen nun Doppelspurigkeiten und Fehlinvestitionen vermieden und ein Angebot geschaffen werden, das auf die Bedürfnisse von Älteren und Pflegebedürftigen fokussiert und abgestimmt ist. 2023 soll das Projekt Altersstrategie 2035 für die Region Rorschach abgeschlossen sein und allfällige Nachfolgeprojekte starten.

Nathalie Bruschi, Rorschacherberg, 38 Jahre
«Ich arbeite in der Pflege. In Würde alt werden, ist das, was für mich zählt. Dazu gehört, ernst genommen und respektiert werden. Das wünsche ich mir.»

Karin Schiess, Goldach, 44 Jahre
«So lange wie möglich selbständig bleiben und zu Hause wohnen. Das ist meine Vorstellung fürs Alter. Grundsätzlich braucht es mehr Plätze für alte Menschen. Das könnten Altersheime oder Alterswohnungen sein, vielleicht auch Alters-WG‘s.»

Agnes Dumas, Rorschach, Rorschach, 58 Jahre
«Im Alter möchte ich vor allem nicht allein sein. Ich möchte meine Zeit mit anderen Menschen verbringen. Im Dialog sein.»

Thomas Fischer, Untereggen, 52 Jahre
«Ich will sicher nicht ins Altersheim, wenn’s nicht sein muss.»

Bruno Kast, Rorschach, 62 Jahre
«Mein Leben im Alter? Ich stelle mir vor, dass ich dann immer auf Reisen bin.»






